Neue Verfassungsänderung stellt Vorrang des EU-Rechts infrage

Neue Verfassungsänderung stellt Vorrang des EU-Rechts infrage

Der Nationalrat der Slowakischen Republik hat am Freitag (26.9.) mit einer knappen Mehrheit von 90 Stimmen eine Novelle zur Verfassung gebilligt. Diese befasst sich vor allem mit gesellschaftspolitischen Fragen. So wird das Geschlecht ausschließlich als männlich oder weiblich definiert, Adoptionen bleiben nur verheirateten Paaren vorbehalten, die Leihmutterschaft wird verboten. Zudem führt die Novelle eher vage juristische Begriffe wie die „nationale Identität“ ein. Ein Teil der Gesellschaft empfindet die Änderungen als kontrovers und Politologen warnen vor möglichen Konflikten mit der Europäischen Union.

Noch vor der Abstimmung im Parlament hatte auch der Europarat über die Venedig-Kommission Bedenken bezüglich der geplanten Novelle geäußert. In einer Erklärung warnte die Kommission, die Festschreibung eines strikt binären Geschlechtsverständnisses dürfe nicht zu Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität führen. Der Politologe Tomáš Koziak weist zudem darauf hin, dass die Novelle eine Klausel enthalte, die die Vorrangstellung des europäischen Rechts vor dem slowakischen aufhebt. Dies mache der slowakischen Regierung, so Koziak, den Weg frei, um die bislang gültigen Rechtsnormen zu relativieren. Auch der Verfassungsrechtler Radoslav Procházka sieht darin ein potenzielles Problem für die Zukunft: Es könnte bald unklar werden, ob künftig slowakisches oder europäisches Recht Vorrang hat: “Unter den Experten herrschen heute grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten darüber, was diese Novelle eigentlich bedeuten wird, wie sie angewendet wird und welche Bedeutung ihr die Gerichte in ihrer Rechtsprechung beimessen werden.”

Im Gegensatz dazu sehen es mehrere christliche Organisationen als einen richtigen Schritt, dass die vorgeschlagenen Elemente in der Verfassung verankert wurden. Pavol Kossey vom Forum christlicher Institutionen: “Die verabschiedeten Verfassungsänderungen stehen im Einklang mit den Werten, für die die christlichen Organisationen und Institutionen eintreten. Es ist vielleicht traurig, dass wir so klare Dinge durch Verfassungsgesetze definieren müssen.”

Laut Amnesty International wird die Verfassungsnovelle zu Menschenrechtsverletzungen führen. Für LGBTI-Paare werde es endgültig unmöglich sein, Kinder zu adoptieren und auch die Lebensbedingungen für transgeschlechtliche Menschen werden sich verschlechtern. Die Änderungen in der Verfassung sollen ab dem 1. November in Kraft treten. Der Präsident kann sie nicht per Veto blockieren, da es sich um ein Verfassungsgesetz handelt. Man erwartet, dass die Relationen zwischen dem nationalen und europäischen Recht in den kommenden Monaten auch die Diskussionen zwischen Bratislava und Brüssel prägen werden.

Quelle: STVR, ta3

Juraj Pavlovič, Foto: TASR

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