Am 1. Juli hat die Slowakei den Vorsitz der Visegrád-Gruppe an Tschechien übergeben. Der gerade endende slowakische Vorsitz wurde von der russischen Aggression in der Ukraine beeinflusst. Diese sorgte für Spannungen unter den Mitgliedsstaaten. Irritiert über Ungarns Haltung gegenüber Russland zeigten sich sowohl die Slowakei und Tschechien als auch Polen. Nach Aussage von Tomáš Strážay von der Slowakischen Gesellschaft für Außenpolitik habe die Intensität der politischen Zusammenarbeit innerhalb der Visegrád-Gruppe unter diesen Differenzen gelitten. Der slowakische Vorsitz sei aus diesem Grund nur auf die Ausübung notwendigster Formalitäten wie Treffen von Ministerpräsidenten, Ministern oder Staatssekretären beschränkt worden. Auch der slowakische Außenminister Miroslav Wlachovský gab gegenüber RTVS zu, dass die ambitionierteren Projekte auf Eis gelegt wurden, unter anderem auch deshalb, weil sich die Aufmerksamkeit und die Ressourcen auf die Ukraine konzentrierten.
Noch vor dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 gab es Bedenken hinsichtlich des Fortbestehens der Visegrád-Gruppe in ihrem aktuellen Format. Die Gruppe war in zwei Lager geteilt: während die Slowakei und Tschechien eher europafreundlich agiert haben, zeigten sich Ungarn und Polen deutlich europaskeptischer. Die letztgenannten Länder standen und stehen außerdem wegen der Missachtung von Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in der Kritik. Infolge des Krieges habe sich laut Tomáš Strážay die Teilung der Visegrád-Vier verschoben, und zwar zum Verhältnis von drei zu eins. Polens klar kritische Position gegenüber Russland, verbunden mit beträchtlicher militärischer und humanitärer Hilfe für die Ukraine, stehe in einem starken Kontrast zum Agieren Ungarns. Der Politologe betont jedoch gleichzeitig, dass die Außenpolitik einzelner Visegrád-Länder nicht langfristig stabil sein müsse. So könnte die Slowakei eventuell nach den vorgezogenen Parlamentswahlen im September ihren politischen Kurs bezüglich der Ukraine ändern und einen ähnlichen Weg wie Ungarn einschlagen. Tomáš Strážay hält dies aber für wenig wahrscheinlich. Ebenso unwahrscheinlich erscheint eine mögliche Auflösung der Visegrád-Gruppe. Außenminister Wlachovský zufolge sei keiner der Mitgliedsstaaten an einer derartigen Entwicklung interessiert. Die regionale Zusammenarbeit sei immer noch sinnvoll, besonders in jenen Bereichen, in denen Differenzen bestehen.
Quelle: RTVS