Präsidentin Zuzana Čaputová habe ihre Amtszeit nicht ausreichend genutzt, um ihre eigene Agenda zu formulieren, die sie mit der Kraft ihrer Persönlichkeit vorantreiben würde. Dies sagte Politikwissenschaftler Juraj Marušiak von der Slowakischen Akademie der Wissenschaften anlässlich des vierten Jahrestages der Inauguration der Staatschefin. Sie sei nur zum Teil „die Stimme derer, die nicht gehört werden“, geworden. Positiv bewertet der Experte ihr konsequentes Eintreten für demokratische Werte, Toleranz und den Schutz der Schwächeren.
„Sie hätte eine parteiunabhängige Plattform schaffen können, wo Diskussionen über die Zukunft des Landes beziehungsweise über beispielsweise im Präsidentschaftswahlkampf thematisierte Teilfragen geführt werden“, denkt Marušiak. Aus den Auftritten der Staatschefin sei die soziale Agenda, insbesondere im Zusammenhang mit der Einkommensungleichheit und den sozial schwachen Menschen, verschwunden.
Andererseits erinnert der Politologe, dass Zuzana Čaputová nur einen schwachen politischen Hintergrund hatte und mit der Opposition sowie mit einem großen Teil der Regierungsmehrheit in Konflikt geraten war. Gleichzeitig stand das Land vor Herausforderungen wie der Pandemie oder der russischen Aggression in der Ukraine, auf die es nicht vorbereitet war. „Trotzdem oder gerade deshalb konnten viele Bürger das Gefühl haben, dass sich die die politischen Spitzen nicht für ihre Probleme interessieren“, sagt Juraj Marušiak.
Positiv sieht er das Auftreten der Präsidentin in der Außenpolitik. Ihr selbst, aber auch der politischen Führung könne man vor allem eines vorwerfen. Sie haben nicht ausreichend versucht, die Bürger von folgender Tatsache zu überzeugen: Die Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union und der NATO sowie die Unterstützung der Ukraine im Krieg mit Russland ist nicht nur eine Bündnisverpflichtung der Slowakei, sondern liegt auch in ihrem ureigensten Interesse.
Laut Marušiak habe auch das Zögern der Präsidentin nach der Misstrauenserklärung gegen die Regierung von Eduard Heger Unzufriedenheit verursacht, als sie nicht auf ihrer Forderung bestand, die Neuwahlen bis zum 30. Juni auszurufen. Das Hinauszögern einer Lösung habe zur Spaltung der Rechten und zur Radikalisierung der Oppositionswähler beigetragen, was sich in einem Anstieg der Wahlunterstützung für Parteien wie Smer-SD und Republika widerspiegelt.
Politikwissenschaftler Erik Láštic von der Comenius-Universität in Bratislava sieht Zuzana Čaputová als eine Präsidentin an, die sich durch einen moderaten Umgang mit den verfassungsmäßigen Befugnissen auszeichnet. Damit stoße sie manchmal auf die politische Realität der Präsidentin als der beliebtesten oder vertrauenswürdigsten Politikerin, die Zielscheibe der Kritik politischer Parteien ist.
Láštic hebt die Wahrnehmung der Befugnisse in Bezug auf das Verfassungsgericht hervor. Wie er betont, ermöglichten die Eingaben der Staatschefin zu den Volksentscheid-Petitionen in den Jahren 2021 und 2022 dem Verfassungsgericht, den Platz des Referendums im Verfassungssystem nach fast 30 Jahren neu zu definieren und es zu einem sinnvolleren Instrument zu machen. Ähnlich habe ihre Eingabe zum so genannten Familienpaket dem Verfassungsgericht ermöglicht, Grenzen für Regierungen zu setzen, die versuchen, gesetzliche Regeln auf eine die Rechtsstaatlichkeit untergrabende Art und Weise zu umgehen.
Quelle: TASR