Milan Kňažko über die Teilung der Tschechoslowakei

Milan Kňažko über die Teilung der Tschechoslowakei

Zu Jahresbeginn feiert die Slowakei ihr 30-jähriges Bestehen. Mit Ablauf des Jahres 1992 zerfiel nämlich die Tschechoslowakei und mit dem 1. Januar 1993 entstanden die beiden Nachfolgestaaten – Tschechien und die Slowakei. Dieses Jubiläum als Anlass nehmend führt die slowakische Presseagentur TASR eine Reihe von Interviews. Unter den Interviewten befindet sich auch Milan Kňažko, eine der Symbolfiguren der Wende 1989. Er verweist auf die besonders guten Beziehungen zwischen Tschechien und der Slowakei. Sie hätten sich dank dieser Teilung so gut entwickelt.

Milan Kňažko ist 1945 geboren. Er studierte Theaterwissenschaften – unter anderem in Frankreich – und ist zu einem der bekanntesten slowakischen Schauspieler geworden. Bis in die 2000er Jahre hatte er wichtige Funktionen in der Theater- und Filmszene inne. Während der Samtenen Revolution 1989 stieg er zu einer der Symbolfiguren im Kampf gegen die Diktatur der Kommunistischen Partei auf. Anschließend wurde er Mitglied der neu entstandenen tschechoslowakischen Regierung. Innerhalb des gemeinsamen tschechischen und slowakischen Staates engagierte sich Kňažko für die Anerkennung der Slowaken als eigene Nation auf der Weltbühne. Die Teilung der Tschechoslowakei ist bis heute ein kontroverses Thema. Sie lief zwar vollkommen friedlich, doch es hatte weder eine Volksabstimmung gegeben noch waren Parteien mit dem ausdrücklichen Ziel der Teilung in den Wahlkampf gezogen. Umfragen aus der damaligen Zeit deuten darauf hin, dass die Bevölkerungsmehrheit in beiden Landesteilen vermutlich gegen die Teilung war. Kňažko rechtfertigt die Teilung unter anderem damit, dass es keine nennenswerten Proteste gegen sie gegeben habe. Er verweist auch darauf, dass zur damaligen Zeit viele Staaten unter unruhigen, teilweise sehr blutigen Umständen zerfallen seien und nennt die Sowjetunion und Jugoslawien als Beispiel. Die Teilung der Tschechoslowakei sei international als Musterbeispiel einer friedlichen Teilung aufgefasst worden. Kňažko lobt auch, dass die junge Slowakei bereits an ihrem Gründungstag von den meisten relevanten Staaten anerkannt worden sei.

Die drei Jahre zwischen der Samtenen Revolution und dem Zerfall der Tschechoslowakei waren eine komplizierte Zeit. Es sollte eine neue Verfassung aufgestellt werden, doch die Vorstellungen, wie diese aussehen soll, gingen weit auseinander. So war in Tschechien die Idee eines zentralistischen Einheitsstaates weit verbreitet, wohingegen sich viele slowakische Politiker eine möglichst weitreichende Autonomie, jedoch innerhalb eines gemeinsamen Staates wünschten. Es gab aber auch Streitigkeiten über die außenpolitische Ausrichtung sowie die wirtschaftlichen Zielsetzungen. Heute nun haben Tschechien und die Slowakei sowohl auf politischer als auch auf außerpolitischer Ebene sehr gute Beziehungen. Vor diesem Hintergrund meint Kňažko, diese Beziehungen seien Folge der Teilung. Kurz und prägnant erklärt er: „Diese guten Beziehungen haben wir nicht trotz der Teilung, wir haben sie dank der Teilung.

Obwohl anfangs weit verbreitete Unzufriedenheit herrschte, scheinen sich die Tschechen und Slowaken im Nachhinein mit der Teilung abgefunden zu haben. Das zeigen gegenwärtige Umfragen. Der 1. Januar gilt in beiden Staaten als ein Staatsfeiertag, an dem der Gründung des eigenen Staates gedacht wird. Mit Beginn des Jahres 2023 werden beide Staaten ihres 30-jährigen Bestehens gedenken.

Quelle: TASR

Michael Thanei, Foto: TASR

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