Die Zahl der in der Slowakei durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche ist laut Daten des Nationalen Zentrums für gesundheitliche Informationen deutlich zurückgegangen. Waren es 1997 noch 14,6 pro 1.000 Frauen im fruchtbaren Alter lag der Anteil 2018 bei nur 4,6. Dennoch sammelten sich am Sonntag (22.09.2019) zum dritten Mal Abtreibungsgegner zu einem „Marsch für das Leben" in Bratislava, an dem mehrere zehntausend Menschen teilnahmen und der einen friedlichen Verlauf hatte.
In der Slowakei ist der künstliche Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche erlaubt. In den letzten Jahren wurde er verstärkt zum Thema politischer Auseinandersetzungen. Im Frühjahr annoncierten die Regierungsparteien SMER-Sozialdemokratie und Slowakische Nationalpartei, die geltende Gesetzgebung verschärfen zu wollen. Nachdem das Meinungsforschungsinstitut Focus im September die Zahlen veröffentlichte, wonach 55,5 % der Befragten eine restriktivere Gesetzgebung ablehnen und lediglich 34,5 % dafür sind, änderten die Regierungsparteien ihre Rhetorik.
Bei dem Thema engagiert sich auch die Konferenz der Bischöfe der Slowakei, die mit weiteren Partnern zum dritten Mal den Nationalen Marsch der Abtreibungsgegner organisierte. Der Pressesprecher des Nationalmarsches Patrik Daniška erklärt: „Wir fordern von der Regierung und den Abgeordneten, die Diskriminierung ungeborener Kinder abzuschaffen. Das ist unser Ziel. Die erforderlichen Maßnahmen können dabei schrittweise erfolgen. Wir sehen vier Gesetzentwürfe im Parlament vorliegen, die den Schutz des nichtgeborenen Lebens verbessern wollen."
Die Organisatoren wollen letztendlich ein komplettes Verbot erzielen, das sich auch auf Opfer von Vergewaltigungen beziehen soll. Jana Debrecéniová von der Nichtregierungsorganisation „Bürger, Demokratie, Verantwortung" vertritt die Bewegung und Meinung der Wahlmöglichkeit Pro-Choice: „Bei den Gruppierungen, die sich bemühen, das Recht der Frau auf eine eigenständige Entscheidung einzuschränken, treten ideologische und religiöse Motive in den Vordergrund. Sie handeln mit dem Ziel, aus einem säkularen und auf bürgerlichen Prinzipien aufgebauten Staat einen religiösen Staat zu machen. Die bisherige Gesetzgebung ist in Sachen Frauenrechte ausgewogen und schützt das Leben als Wert in der Verfassung."
Den Nationalen Marsch der Abtreibungsgegner unterstützten mit ihrer Anwesenheit neben Politikern der Parteien SNS, KDH, OĽANO und Sme Rodina auch solche der rechtsextremistischen Volkspartei Unsere Slowakei ĽSNS, die mit zahlreichen grünen Parteifahnen und -symbolen in Erscheinung traten. Zwar hatte sich Veranstaltungssprecher Daniška von ihnen distanziert, äußerte aber dennoch die Überzeugung, dass die Unterstützung des gemeinsamen Ziels wichtiger sei. Ähnlich äußerte sich der Parlamentsvorsitzende und Chef der Slowakischen Nationalpartei, Andrej Danko, der von einem „gesellschaftlichen Kompromiss" sprach. Kritiker verwiesen auf die Brisanz der regen Beteiligung aus den Reihen der extremen Rechten sowie auf die schlimmen Erfahrungen aus der Zeit des katholischen Priesters Jozef Tiso, der den klerofaschistischen Kriegsstaat vor 1945 führte.
Quelle: RTVS, SME, NCZI