Wechselstimmung bei Parlamentswahl in der Slowakei

Wechselstimmung bei Parlamentswahl in der Slowakei

Am gestrigen Samstag, 29. Februar 2020, hat die Wahl zum Nationalrat der Slowakischen Republik stattgefunden. Der Wahltermin fiel damit zugleich genau auf den 100. Jahrestag des allgemeinen Wahlrechts in der Ersten Tschechoslowakischen Republik von 1920. In der modernen Nachwende-Slowakei seit 1990 handelte es sich um die neunten bzw. nach der Neugründung des unabhängigen slowakischen Staates 1993 um die achten Parlamentswahlen. Die Medien hatten nach 23:00 Uhr einen „exit poll" (Prognose aus der Nachwahlbefragung) sowie nachfolgend die Hochrechnungen des Amtes für Statistik anhand der 5.998 Wahlkreise veröffentlicht. In den neuen Nationalrat wurden demnach sechs Parteien gewählt. Das vorläufige Ergebnis nach Auswertung von 100 % der Wahlkreise mit Stand 10:45 Uhr (*) lautet - bezogen auf die Parteien, die die geltende 5- bzw. 7-Prozent-Hürde überwunden haben:

  • OĽaNO 25 %

  • Smer-SD 18,3 %

  • Sme rodina 8,2 %

  • Kotlebovci ĽSNS 8 %

  • SaS 6,2 %

  • Za ľudí 5,8 %

Die bisher führende Regierungspartei Smer-SD verzeichnet im Vergleich zur Wahl von 2016 einen Verlust von fast 10 Prozent und die bisher mitregierenden Parteien Slowakische Nationalpartei (SNS) und Most-HÍD sind künftig gar nicht mehr im Parlament vertreten. Die rechtsradikale Kotlebovci ĽSNS liegt weiterhin bei acht Prozent. Die liberale SaS behauptete sich trotz Verlusten. Zugewinne konnte die konservative Protestpartei Sme Rodina (Wir sind Familie) verbuchen, deren künftige Rolle und Bedeutung derzeit diskutiert wird. Neu in den künftigen Nationalrat wurde die bislang außerparlamentarische neue Partei Za ľudí (Für die Menschen) gewählt. Entgegen der Vorwahlumfragen verfehlten PS/Spolu mit 6,96 Prozent den Einzug ins Parlament um 0,04 Prozent, da für sie als Koalition eine 7-Prozent-Hürde gilt. Nunmehr ist eine Regierungsbildung zu erwarten, die vom Wahlgewinner OĽaNO mit rund 14 Prozent Zuwachs und ihrem Spitzenpolitiker Igor Matovič angeführt werden und eine neue Weichenstellung in der slowakischen Politik bedeuten könnte - sofern sich hierfür eine rechnerisch wie auch programmatisch stabile Mehrheit findet. Matovič gilt als Kritiker der bisherigen Regierungspolitik.

Die Slowakei hatte über die letzten Jahre außenpolitisch als EU- und NATO-Mitgliedsland sowie innenpolitisch mit niedriger Arbeitslosigkeit und einem relativ stabilen Wirtschaftswachstum Erfolge. Gleichzeitig konnten Probleme wie etwa im Zusammenhang mit der Korruption nicht umfassend bewältigt werden. Noch vor wenigen Tagen hatte die Europäische Kommission in Fragen beispielsweise der Bildungspolitik, des Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts oder der mittleren Lebenserwartung eine teilweise eher negative Bewertung abgegeben. Der Journalistenmord von 2018 und die in der Folge medialisierten Verbindungen zwischen Politik und Mafia sowie die Gerichtsprozesse gegen den umstrittenen, bereits verurteilten und unter weiterer Anklage stehenden Unternehmer Marian K. haben indessen offenbar zu einer Wechselstimmung geführt. Noch eine Woche vor der Wahl fanden landesweit erneute Kundgebungen unter dem Motto „Für Ján und Martina, für ein anständiges Land" mit tausenden Teilnehmern statt. Nun haben die Wähler in einer regulären demokratischen Wahl einen Wechsel herbeigeführt und augenscheinlich die westlich-liberale, proeuropäische Ausrichtung des Landes zu unterstreichen versucht. In der Slowakei spielen u. a. die Katholische Kirche wie auch eine Offenheit gegenüber Russland eine nicht unbedeutende Rolle. Politikwissenschaftler und Medien bemühen sich derzeit darum, das Wahlergebnis auch dahingehend zu analysieren und einzuordnen.

Die Wahlbeteiligung am Samstag war mit fast 66 Prozent höher als bei den letzten Parlamentswahlen 2016 mit damals 59,8 Prozent. Die Wahllokale hatten von 07:00 bis 22:00 Uhr geöffnet. Die Wahlen unter internationaler Beobachtung durch die OECD verliefen weitestgehend ohne Vorkommnisse. In einem Wahllokal verstarb allerdings ein Wähler und in einem weiteren ein Mitglied der Wahlkommission, sodass dort die Öffnungszeiten verlängert wurden. Das landesweit einzuhaltende Wahlmoratorium galt daher kurzfristig eine Stunde länger, also bis 23:00 Uhr.

Die Staatspräsidentin der Slowakischen Republik, Zuzana Čaputová, wollte nach eigenem Bekunden den Wahlabend nicht bei Parteien verbringen, sondern mit ihren Mitarbeitern die Entwicklungen verfolgen und über die weiteren Schritte beraten. Priorität habe laut Čaputová nach der Wahl die Bildung einer neuen Regierung.

Quelle: TASR

(*) Die Angaben werden anhand neu einlaufender Ergebnisse aktualisiert. Letze Aktualislierung: 01.03.2020 / 13:00 Uhr

Kay Zeisberg; Foto: TASR

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